Okay, nehmen wir Guttenberg beim Wort und stellen wir uns vor, wie diese Arbeit entstand. Er hat die Arbeit selbst geschrieben und ohne Vorsatz handwerklich gravierende Fehler gemacht. Stellen wir uns das also bildlich vor: Er sitzt vor seiner Arbeit und tippt seitenweise fremde Quellen ab – oder kopiert elektronisch. Und er vergisst, diese Quellen zu markieren.
In der wohlwollendsten Interpretation hat er die fremden Quellen bereits vor Jahren zusammenkopiert und nicht markiert und dachte später tatsächlich, dies wären seine eigenen Worte.
Arbeitsstil
Glauben wir weiterhin, dass er tatsächlich so gearbeitet hat. Was sagt das aus über seinen Arbeitsstil – eine ziemliche Konstante der Persönlichkeit eines Erwachsenen? Er arbeitete «drauf los» ohne sich bewusst zu machen, dass er damit eine der schwerwiegendsten Fehlerquellen einer wissenschaftlichen Arbeit zumindest fahrlässig in Kauf nimmt.
Selbstreflexion
Wenn dies also tatsächlich sein Arbeitsstil ist, so könnte er als selbstreflektierte Persönlichkeit niemals die Vorwürfe in einer ersten Stellungnahme als «abstrus» abtun. Über seine Arbeit hatte er ja erst vor ziemlich genau vier Jahren eine Prüfung («Verteidigung») abgelegt. Also müssen wir zusätzlich davon ausgehen, dass er nicht nur einen gefährlichen Arbeitsstil hat, sondern dieser kombiniert ist mit einem ungewöhnlichen Mangel an Selbstreflexion.
Massstäbe
Als die Vorwürfe aufgrund der überwältigenden Beweislage nicht mehr als «abstrus» abgetan werden können, verharmlost er seine Fehler und versteckt sich hinter juristischen Spitzfindigkeiten. Für die meisten Ladendiebe spielt es keine Rolle, ob sie bewusst und vorsätzlich eine Ware mitgehen liessen, wenn sie ertappt werden. Hier scheint Guttenberg für sich weniger hohe Massstäbe anzulegen als für andere, da er die Affäre mit der «schmerzhaften» Rückgabe der gestohlenen Ware ausgestanden wähnt – und seine Konsequenzen gar als vorbildlich anpreist. In seiner «Politik braucht klare Werte» hat er bisher Fehlverhalten nicht nach der Intention sondern nach dem Ergebnis beurteilt – ausser nun bei sich selbst.
Schlussfolgerung
Diese Eigenschaften «gefährlicher Arbeitsstil», «Mangel an Selbstreflexion» und «Ansetzen verschiedener Massstäbe» sind für einen Verteidigungsminister untragbar. Es ist nicht glaubwürdig, dass diese Eigenschaften nur seine wissenschaftliche Arbeit beeinflussen, nicht aber seine politische.
Rücktritt
Andere, plausiblere Interpretationen des Zustandekommens der Doktorarbeit, erfordern aufgrund der bisherigen Stellungnahmen von Guttenberg, noch deutlicher seinen Rücktritt.
Er muss nicht zurücktreten aufgrund eines Plagiats, sondern aufgrund seiner Reaktionen darauf, die im besten Fall auf grobe, untragbare Inkompetenz schliessen lassen, im schlimmsten Fall auf Unehrlichkeit, Uneinsichtigkeit und Arroganz. Jeder hätte ihm einen gravierenden Fehler verziehen, nicht aber dieses nun dargebotene Theater, das tief blicken lässt.
Ich hoffe, dass Guttenberg in ein paar Jahren in die Politik zurückkehrt. Ich war Fan, bis er mich durch seine Winkelzüge enttäuscht hat.
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